Schweidnitz, den 15. März 1934
Konfirmationsrede
von Pastor Seidel
Hebräer 13,9: Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.

Zu drei Malen wird in der Bibel etwas als überaus wertvoll und köstlich bezeichnet, und alle drei Worte, an die ich denke, sind für Euch, meine lieben Konfirmanden, in dieser Feierstunde wie geschaffen. Hört, da heißt es an einer Stelle: Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, Du Höchster. Ich kann mir eine Konfirmation in der Kirche nicht anders denken, als daß alle, die hier versammelt sind, Euch, liebe Konfirmanden, und Eure Eltern ein tiefer, inniger Dank gegen Gott und seine Treue umschließt. Und dieser Dank soll der Auftakt in dieser Feierstunde sein. Nun seid Ihr unter dem Glanz der Frühlingssonne hier um diesen festlich geschmückten Altar versammelt, selbst in Festgewänder gekleidet, nun habt Ihr heute Morgen zu haus den Eltern die Hand gereicht, habt Ihnen ins Auge geschaut und mehr als Worte es sagen können, habt Ihr ihnen für ihre Mühe und große Liebe an Euch gedankt; Nicht alle haben das tun können, zehn unter Euch ist der Vater gestorben, frühzeitig, elf die Mutter, elf beklagen die Mutterhand, die sie selbst für diesen Tag so gern geschmückt hätte. In stiller, wehmütiger Dankbarkeit gedenkt Ihr derer, die nicht mehr unter Euch sein können. Ich blicke auf Euch, meine Konfirmanden, fast 140 an Zahl, ich sehe, Ihr alle seid an Körper und Geist so ausgestattet, um später einmal im Leben einen Platz einnehmen zu können, um auf dem Baugerüst stehen zu können, von dem aus unser liebes, deutsches Volk und Land geformt und gestaltet werden soll. Ich blicke auf Euch, Ihr Eltern dieser Kinder; hier ist es das erste, das einzige Kind, für manche das letzte, für andere, eins aus der Kinderschar, das Ihr heute zum Konfirmationsaltar geleitet. Lagert Euch ein wenig, heißt es in der Bibel, ja, diese Stunde ist dazu angetan, einmal zu ruhen und stille zu sein, im Geiste die Jahre vorüberziehen zu lassen, die Ihr mit diesen Kindern durchlebt habet, und Ihr, Ihr Eltern dieser Kinder, alles Euer Gedenken und Erinnern klingt feierlich aus in diese Worte: In wie viel Not, hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet. Ich darf auch ein Wort von mir selber sagen. Es ist ja solch eine Stunde, wie diese, wo ich vor meinen Konfirmanden am Konfirmationsaltar stehe, immer eine ganz besonders große und festliche. Ich habe über viele von Euch am Tage der Taufe ein Wort gesprochen, ich habe vor manchen Eltern dieser Kinder, als sie die Ehe schlossen, am Traualtar gestanden, ich habe hier und dort den Vater oder die Mutter vor langen Jahren ein selbst konfirmiert, - das schließt zusammen; es schließt zusammen ein Unterrichtsjahr, ist es doch mein innerstes Anliegen gewesen, in all den Stunden, wo wir zusammen waren, vor Euch im Sinne jenes Wortes zu stehen, was einer der Großen aus alter Zeit gesprochen hat: Gaudens quisque catechizet, ein jeder, der unterrichtet, er tue es mit Freuden. Auch für mich ist dieser Tag ein Freudentag. So wollen wir denn alle in dieser Feststunde im Geheiß des Wortes diesen Weg gehen: Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken.
Und dann das andere Wort: Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn warten. Ich sehe in Eure jungen, frischen, lachenden Gesichter, und wenn jemand zu Euch von Not und Gedränge spricht und von Geduld, dann werden Eure Augen ein wenig verlegen und ratlos, dann habe ich den Eindruck, als verstünden wir uns nicht ganz. Und doch, meine lieben Konfirmanden, sie kommen, sie kommen in jeden, jedem Menschenleben die Strecken, wo der Weg steil und hart und rau ist, wo es durch Not und Mühsal hindurch gehr. Für solche Zeiten gebe ich Euch in feierlicher Stunde den Rat: Es ist ein köstlich Ding, geduldig zu sein. Es liegt in der Natur solcher Menschen, wie ihr es seid, so blutjunger Menschen, daß sie stürmen, daß sie leidenschaftlich vorwärts drängen und weiter eilen und Worte, wie Geduld, gibt es in ihrem Lexikon nicht. Überall da, wo die Bibel von Geduld redet, versteht sie nach dem Urtext übersetzt ein Drunter bleiben unter Gottes Hand. Versteht mich, meine Konfirmanden, so ist mein Rat gemeint: Wenn in Eurem Leben – und Gott weiß es, wie schnell das sein kann – die Tage und Zeiten kommen, von denen wir sagen , sie gefallen uns nicht, dann lehnt Euch nicht auf, dann seit nicht verdrießliche und missvergnügte Menschen, die sich und anderen das Leben schwer machen, dann hadert und murret nicht mit Gott und dem Schicksal, mein Rat ist dies, dann seid geduldig, das heißt, bleibt still und demütig und tapfer unter der Hand des treuen Gottes. Ihr wollt doch alle aus dem Leben, das weit und breit vor Euch liegt, etwas machen. Und das wäre ein höchst sonderbarer Junge, der ins Leben hinausstürmte, und nicht mindestens die halbe Welt erobern wollte. Und die Mädels von heute denken im Grunde ebenso. Hört, was ich Euch sage; ich habe zuhaus in meiner Wohnung ein altes Buch, in Schweinsleder gebunden, es stammt aus der Zeit, längst ehe Luther lebte, es stammt aus der Feder Johann Taubers, des großen Predigers von Straßburg im Mittelalter. In diesem alten Buch steht folgendes Wort: Leiden ist das schnellste Pferd, das zur Vollkommenheit führt. Ja, Ihr lieben jungen Menschen, die Ihr ins Leben hinausstürmt, nicht das ist Sinn und Ziel des Lebens, ein gutes Stück Geld zu verdienen, eine glänzende Karriere zu machen, oder eine gesicherte Lebensstellung zu erlangen, so wertvoll das alles ist, Sinn und Ziel des Lebens ist und bleibt dies, dies allein, ein Mensch nach dem Herzen Gottes zu werden, ein braver rechter Christenmensch, ein ganzer Charakter, und dahin bringt uns, so meint es jenes Wort aus alter Zeit, am sichersten und schnellsten oft Leid und Not. Das ist wunderbar, aber es ist so. Zu den Städten unseres Vaterlandes, die jetzt sehr oft genannt werden, gehört Nürnberg, die alte Reichsstadt, die Stadt, die in der Geschichte des Dritten Reiches einen besonderen Ehrenplatz einnimmt. Dort trägt die Turmuhr des Rathauses folgende Inschrift: Ubi onus, ibi sonus. Wo eine große Last ist, da gibt es einen hellen, guten Klang. So ist es auch, nicht bloß hoch oben im Turm, sondern auch hier unten unter uns Menschen. Die wertvollsten Menschen, Ihr älteren unter uns werdet mir recht geben, meist sind es die, die es im Leben recht schwer gehabt haben. Es kommt so sehr nicht darauf an, was Ihr, liebe Konfirmanden, einmal später werdet, und welchen Beruf Ihr bekleidet, aber darauf kommt alles an, daß Ihr, wo Ihr auch steht, wie Ihr auch Euer Brot Euch verdient, wertvolle Menschen seit, ganze Menschen, brave Menschen, und wisset, dazu kann mehr als alles andere, helfen und beitragen Not und Leid und Last. Darum ist dies mein herzlicher Rat an Euch alle, dulde gedulde Dich fein.!
Und nun das dritte Wort: Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. Ihr erinnert Euch in der ersten Stunde, die wir zusammen waren, war dies das erste Wort, das wir in der Bibel aufgeschlagen hatten. Und heute ist die letzte Stunde gemeinsamen Zusammenseins gekommen, sie ist rascher und schneller gekommen als wir ahnten. In solch einer letzten Stunde, Ihr werdet mir es nachempfinden, erhalten die Worte einen besonders dringenden und herzlichen Ton, da möchte ich Euch noch einmal alles sagen, was ich zu sagen habe. Ich kann Euch größeres nicht sagen, wahrhaftig größeres und höheres gibt es nicht, als daß ich hintrete zu einem jeden unter Euch, Euch ins Auge schaue und Euch mit dem ganzen Ernst und der Weihe, die in dieser Feierstunde liegt, jedem, jedem zurufe: Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde. Als ich voriges Jahr meine Konfirmanden einsegnete, war es am 21. März, dem historischen Tage von Potsdam. Seitdem hat Deutschland ein anderes Gesicht bekommen. Ihr, meine Konfirmanden, Ihr sollt in vorderster Linie mithelfen, Ihr sollt mit dabei sein, daß unser Vaterland dieses andere Gesicht behält, Ihr sollt helfen, daß es bis in die letzten Winkel und Ecken ein immer besseres und schöneres Gesicht bekommt. Das ist mein Auftrag an Euch und mit diesem Auftrag schicke ich Euch hinaus, hierhin die einen und dorthin die anderen. Mit diesem Auftrage entlasse ich Euch, Ihr sollt helfen, daß unser Vaterland ein immer besseres und schöneres Gesicht bekommt. Es sage keiner, was kann ich dabei tun und nützen! Wo immer in einer Menschenbrust ein festes Herz schlägt, dann ist das der größte und wertvollste Beitrag, den jemand seinem Volk, seiner Kirche, dem Reiche unseres Gottes leisten kann. Seht Euch doch um im Leben, so viele Menschen, sie haben ein hartes Herz, hart wie Stein, und in ihrer Nähe ist alles kalt und öde und leer, so viele haben ein stumpfes Herz, und träge und müde und gleichgültig rinnt das Leben dahin, so viele die haben ein leichtfertiges Herz, vor ihnen hütet Euch, aber – ein festes Herz, das ist wie der Kompaß im Schiff, das ist wie, ob die Sonne scheint, oder ob es stürmt, ob der Weg über lichte Höhen führt oder ob es hinab geht in dunkle Tiefen, alle Zeit und überall und in absoluter Sicherheit gerichtet auf Gott, den heiligen und ewigen Gott. Groß ist das Gewirr der Wege und Stege einer Lebenswanderung, aber das feste Herz nimmt seine Orientierung und seine Weisung und Richtung von Gott, sieht überall am Wegrande Wegtafeln stehen, sodaß der Mensch niemals Gott aus dem Auge verliert.
Keine Hand kann das physische Herz schaffen, das Tag und Nacht und Nacht und Tag in unserer Brust schlägt. Auch das feste Herz, von dem wir hier sprechen, ist ein Geschenk Gottes, ist eine Gabe des Himmels. Konfirmanden, Ihre Jungen, Ihr Mädels, holt sie Euch herunter diese Gabe. Holt sie mit den Armen des Gebetes, holt sie Euch herunter - - so lange Ihr lebt. Dann klingt durch Euer Leben etwas von diesem Klang hindurch:

Stern, auf den ich schaue,
Fels, auf dem ich steh,
Führer, dem ich traue,
Stab, an dem ich geh.

Amen.